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Geheime Mission im Land der Elfen, Trolle und Tunnel – Reisebericht

wir: Daniel & Michaela Hoppe

 

unsere Mission: mal eben einen Hengst aus Norwegen holenDSC_0084272427

227383_217793778249868_4589549_ngeheim: nur für einen Teil der Familie, damit selbige uns nicht für komplett unzurechnungsfähig hält

Es war ein gut durchgeplantes & vorbereitetes Programm, aber grau ist alle Theorie: es wurde ein echtes Abenteuer. Unsere Strecke: Tostedt – Randers – Oslo – Randers – Tostedt, schon in 3 Tagen wollen wir zurück sein.2 Deutsch Dänische Grenze

Nachdem Daniel mich dazu bereit erklärt hat, ihn auf seiner Tour zu begleiten, brechen wir am Mittwoch, den 23.4. gegen 15 Uhr auf. Mit der Strecke nach Dänemark sind wir bestens vertraut, führt uns unser Sommerurlaub die letzten 10 Jahre eben dorthin. Dank des Anhängers fahren wir langsam genug, um etwas Ausguck zu geniessen und später noch ein Dinner im Foyer unseres Autos am Rasteplads Fuglsang Nähe Aarhus, aber es ist schon nach 20 Uhr und den Vögeln ist nicht mehr nach Singen. Gegen 21 Uhr erreichen wir Familie Kloss in Randers. Diesen Kontakt hat Birgit Mortensen hergestellt. Familie Kloss – ursprünglich aus Meckpomm – stellt uns ein nettes Gästezimmer zur Verfügung und nach einer guten Stunde Plauderei, nutzen wir dieses, denn die Nacht wird kurz, um 6 Uhr morgens soll es schon weitergehen zur Fähre Hirtshals – Langesund.

Soweit alles ok. Am Fähranleger reihen wir uns hinter die bereits wartenden Autos, Wohnmobile & LKW ein. Angesichts der Dimensionen der Fähre, bekomme ich erste Manschetten und bitte Dani, mich am Metallzaun anzuketten und am Folgetag dort wieder abzuholen. Die Sonne scheint freundlich, doch es pustet ein ziemlicher Wind. Um meine Gesundheit besorgt und auch ein kleines bischen, weil er die Reise nicht allein fortsetzen möchte, lässt er sich nicht erweichen. So gibt es für mich kein Zurück und schneller als gedacht, sind wir eingecheckt und verschwinden im Rumpf der Fähre MS Bergensfjord. Hängergespann parken und dann ab nach oben aufs Personendeck.

Die phantastische Aussicht kann ich trotz anhaltend leichter Panik genießen. Als die Fähre ablegt, ist der Seegang doch nicht so ganz ohne und ich verspüre das Bedürfnis, mich am Tisch des Speisesaals, den wir aufgesucht haben, festzuklammern. Ich wünsche mir, „Titanic“ NICHT gesehen zu haben, obwohl ich mir eingestehen muss, dass Weit und Breit kein Eisberg in Sicht ist. Also konzentriere ich mich ganz auf das üppige Frühstücksbuffett, das lässt manche Sorge verblassen. Nach 1 Stunde schließt der Frühstücksraum, wir suchen uns freie Sessel, plumpsen hinein und sehen Wasser, Wasser, Wasser und werden ganz ruhig und lassen uns nochmal etwas in den Schlaf wiegen. Als die Augen wieder mitmachen, dauert es noch eine knappe Stunde (von 4,5) und wir erreichen malerische – dem Hafen vorgelagerte – Felsvorsprünge mit kleinem Leuchtturm, Fischerhütten und unser Herz geht auf bei dem Anblick. Ganz flott ist dann der Hafen erreicht und wir checken aus.57

Es geht durch den kleinen idyllischen Ort Langesund und dann sind wir auch schon mitten in der Landschaft. Wir empfinden es so, als ob Norwegen ein großer Stein ist, in den ein Riese Strassen gekratzt und Tunnel gebohrt hat.

Serpentinenförmig geht es immer höher und höher, die Strasse wird dafür schmaler und schmaler, nur noch gut 10cm „Platz“ neben der Fahrbahnmarkierung und dann geht es schon steil runter. Leitplanken? Fehlanzeige! So bleibt uns nur übrig, einen kühlen Kopf zu bewahren, durchzuatmen und bremsbereit zu bleiben. Wir fahren nur knapp 30min Landstrasse bis wir die Autobahn erreichen. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 90km/h fahren wir meist nicht aus, bescheidene 70km/h reichen uns, hinter uns fahrende und hupende LKW können uns von nichts Anderem überzeugen. Eine Ausweichspur ist erstmal nicht gegeben, so sorry… Ja, manchmal muss man einfach ein dickes Fell haben. Es geht rasch in den ersten Tunnel, er ist ca.3km lang und es geht gut in den Berg hinab. Auch wenn uns das Gefühl beschleicht, dass wir zum Mittelpunkt der Erde fahren, sehen wir (ein) Licht am Ende des Tunnels und schwupps befinden wir uns direkt auf einer Hochbrücke, um dann gestärkt den nächsten Tunnel zu passieren. 20 on the E 18 to OsloWir kommen innerlich nicht so schnell hinterher und haben somit keine Zeit irgendwelche Ängste zu pflegen oder gar zu entwickeln; es ist die reinste Konfrontationstherapie. Wir durchfahren noch reichlich Tunnel, auf dem Rückweg wollen wir eine Strichliste führen. Als wir vermehrt darauf hingewiesen werden, dass geblitzt wird, schnallen wir, dass wir wohl mal irgendwo die Maut entrichten sollten, fahren an der nächsten Tankstelle, die Kronen-Service anbietet, raus und sind ganz pflichtbewusst. Wir gönnen uns noch kalte Cola, denn die Augen verlangen nach etwas Pflege und schon geht es weiter. Die Strecke von Langesund nach Oslo wird vom Routenplaner mit 2,5 Stunden berechnet, die brauchen wir auch.

Oslo selbst zeigt sich uns von (s)einer sehr sympathischen Seite; der Weg führt uns vorbei an einer Marina, kleinen Kirchen und fast schon mittelalterlich anmutenden Häuschen – das Ganze unter einem wirren Netz von Strassenbahnoberleitungen – allmählich zu den großstadttypischen Hochhäusern und OutletCentern. Dank Navigation finden wir die Jugendherberge Haraldsheim schnell. Diese liegt nur 5min. Entfernt von der Bjerke-Trabrennbahn, die wir als Übergabeort für Turbo Romeo vereinbart haben.26 Bjerke travbane Zeitgleich mit unserem Aufbruch in Deutschland, hat sich Line Torrissen Carlsen (seine Vorbesitzerin) in Naurstad/Nordland von ihrem Schatz verabschiedet und ihn uns per Spedition entgegengeschickt.Line und Romeo Abschied Wir checken also ein, informieren Line über unsere Ankunft und fallen erstmal auf unsere zuvor bezogenen Betten. Es ist kurz vor 18Uhr, als uns Lines SMS erreicht, dass sich der Zeitplan aufgrund zuvor schlechten Wetters in NordNorwegen drastisch verschiebt, so dass Romeo anstatt 2Uhr nachts nun erst 13Uhr mittags in Bjerke eintrifft. Unsere Gedanken überschlagen sich und sofort sind wir hellwach. Wenn Romeo nicht pünktlich (bis 10Uhr) eintrifft, erreichen wir die Fähre nicht. Also: erst Fähre umbuchen oder noch eine zweite Nacht Jugendherberge oder??? An so eine Eventualität haben wir ehrlich gesagt vorher keinen Gedanken verschwendet. Als uns bewusst wird, dass akuter Handlungsbedarf besteht, rufen wir die Fährgesellschaft an. Es ist bereits nach 18Uhr und es begrüßt uns eine freundliche Stimme vom Band; leider ist in der Hinsicht heute nichts mehr zu regeln. Wir drücken innerlich die ResetTaste und versuchen so zu tun, als liefe alles wie geschmiert. Ursprünglich wollen wir noch in der City, etwas Bummeln, schlagartig verschwindet leider die Muße dafür, schade. Nach einem kleinen Imbiss auf dem Zimmer, wollen wir noch zur Trabrennbahn rüber, um zu gucken wo sich die Boxen befinden. Das Gelände ist natürlich sehr weitläufig und so gut wie menschenleer. In der zugehörigen Tierarztpraxis entgegnet man uns, dass sich Boxen rund um Bjerke befinden, nur wo genau bitteschön kann man uns nicht mitteilen. Auch an der Tanke direkt nebenan weiß man von nichts. Wir fahren und laufen und schauen uns um und reimen uns zusammen, dass mit Stall C wohl Eingang C (ein großer Parkplatz) gemeint ist. Diese Mutmaßung teilen wir Line noch per SMS mit und dann geht’s zurück und ab ins Bett. Angesichts der Anspannung wird es eine unruhige Nacht: ich fahre erneut mit der Fähre, sie sinkt, ich überlebe, Wale schwimmen an mir vorbei, sie verschonen mich, im Traum ist mir das Schicksal mehrfach gnädig.

Früh am nächsten Morgen erreicht uns eine SMS, dass Romeo 11-11:30Uhr eintrifft. Es könnte somit arg knapp werden, ABER es könnte klappen. Angesichts der Straßenverhältnisse wollen wir nichts riskieren, lieber wenn es nicht klappt noch eine Nacht dranhängen, eigentlich sind wir gaaanz entspannt. Wir „früh“stücken und entscheiden uns, ab 8:15Uhr in Bjerke zu warten. Alles dieses kommunizieren wir, beschreiben unser Gespann und wo wir stehen.DSCI0918 Um 10Uhr geht die erlösende SMS ein: ein Foto des LKW und die Nachricht er sei in 10min. bei uns und wir sollen ihm folgen – Hallelujah – da kommt er auch schon mit Lichthupe an und wir fahren hinterher zu Stall C, direkt unter den Zuschauertribünen, ja, hätte man ja auch gleich sagen können. Hektik kommt auf, der LKW wird geöffnet, der Spediteur führt Romeo heraus, welcher wie selbverständlich gleich auf unseren Hänger spaziert.

Wir erhaschen eigentlich nur einen kurzen Blick und sind sofort noch mehr verliebt in ihn; es rollen Tränen (Rührung und nachlassende Anspannung und so). Es wird eine Tasche übergeben, welche neben den Papieren auch „persönliche“ Gegenstände des Hengstes enthält, wie eine bestickte Satteldecke, eine Abschwitzdecke, Äpfel, Möhren und Schokolade für uns. Nach einer kurzen Umarmung und mentalem Abknutschen des Fahrers geht’s ab Richtung Langesund.

Trotz tickender Uhr, entrichten wir auch dieses Mal die Maut, denken daran unsere Strichliste für die Tunnelzählung bereitzuhalten und abzustreichen und kommen pünktlich kurz nach 13Uhr an.

Wir dürfen mal wieder einchecken und reihen uns erneut hinter die bereits wartenden Fahrzeuge, ich bleibe im Auto, Dani geht zum Zoll, wo sich unser Drama fortsetzt. Es fehlt eine Nummer in den Ausfuhrpapieren. Um welche Nummer es sich handelt und wer für die Vergabe zuständig ist, hat sich uns bis heute nicht offenbart. Kein Zöllner, kein Mitarbeiter der Fährgesellschaft, keine Vorbesitzerin kann dieses Rätsel lösen; das Hauptzollamt in Hamburg hält sich mit Informationen, die wir im Vorfeld einholen wollten, seeehr bedeckt. Es hat also keiner Ahnung von garnichts. Es wird eine 1,5stündige Arie: Pendeln zwischen Zoll, CargoAbteilung der Fährgesellschaft, verbunden mit Warten, Telefonieren, Hoffen und Bangen.DSCI0976 Die vor mir stehenden Fahrzeuge befahren die Fähre aufgrund voranschreitender Zeit bereits, bald bin also eigentlich ich dran. Meine Sorge: wir können die Fähre nicht nehmen oder noch schlimmer: ich werde genötigt das Hängergespann auf selbige zu fahren. Das will ich auf gar keinen Fall und so bleibe ich erstmal hübsch auf dem Beifahrersitz. Als erste Fahrzeuge von hinten an mir vorbeiziehen, teile ich meine Sorgen einem Lotsen mit. Er verspricht mir, dass alles gut wird – hat er meine Not erkannt ? Danis Sorge angesichts der rollenden Fahrzeuge: ich fahre allein mit Pferd und Wagen auf die Fähre und lasse ihn in Norwegen zurück, Ciao Dani. Eine Verständigung untereinander ist uns vom Schicksal nicht gegeben; mein Handy leer, Danis Handy bei mir im Auto, shit happens. Als die letzten Autos 10min vor Ablegen der Fähre an mir vorbeirollen und die Fahrer mir mitleidige Blicke zuwerfen, wird mir etwas schlecht und ich muss an meine Nerven appellieren. Ein Zöllner lässt sich letztendlich dazu erweichen bzw. herab, (irgend)eine Nummer in die Ausfuhrpapiere einzutragen. Dani – mein Held – rafft alle Papiere zusammen und sprintet zum Auto, um 5 vor 15Uhr befahren wir die Fähre MS Stavangerfjord, die Klappe schließt, das Schiff legt ab. Nachdem das Auto geparkt ist, rennen wir die Treppen zum Personendeck hoch. Wir sind fertig wie eine Brezel, mir schießen schon wieder Tränen in die Augen und wir beschließen: wir haben SOFORT einen Cocktail verdient. Pina Colada und Swimmingpool sind schneller geleert als nachgedacht, unsere letzte Mahlzeit liegt bereits mehr als 8 Stunden zurück.

Wir werden sehr schnell sehr beschwingt und lustig und genießen das Panorama bei der Ausfahrt aus dem Hafen. Die Welt ist wieder in Ordnung, aber wir sind seeehr müde. Wir nehmen noch am Abendbuffet teil, um dem Alkohol rückwirkend eine Grundlage zu verschaffen und verbringen die nächsten 4 Stunden relativ schweigend. 15Min früher als erwartet erreichen wir Hirtshals und als ehrliche Menschen fahren wir auch hier nicht am Zoll vorbei.

Ihr könnte Euch bestimmt denken: auch hier ist es nicht easy peasy; das Dilemma hier: fehlende Einfuhrpapiere, alles zuvor in Deutschland in Erfahrung gebrachte und Abgeklärte: für die Katz. Man kann uns soviel mitteilen, dass die Ausfuhrpapiere (die wir in 5facher Ausfertigung besitzen) ihren Zweck erfüllt und an der Grenze zu Dänemark hinfällig geworden sind. Die Verhandlungen hier rauben uns weitere 2,5 Stunden. Mein schauspielerisches Talent, von wegen das Pferd verdurstet mindestens auf dem Hänger, wird verkannt und (ich) nicht ernst genommen. Auch Romeo überzeugt nicht in seiner Rolle; er ist die Ruhe selbst, weder gestresst noch geschwitzt noch unruhig; er frisst Heu sowie die mitgegebenen Äpfel und Möhren und freut sich seines Daseins. Als wir auch hier endlich eine Bescheinigung bekommen, düsen wir nach Randers, wo wir gegen Mitternacht ankommen. Wir sind nicht mehr gesprächig, wollen nur noch schlafen. Nach einem kurzen Bericht am Samstag morgen, fahren wir gen Heimat. Die Katastrophen reisen uns nicht nach, wir kommen in keinen Stau, werden in keinen Unfall verwickelt, haben keine Sonntagsfahrer vor oder Drängler hinter uns und auch der Elbtunnel ist frei.

DSCI1012In Tostedt empfängt uns unsere Bande mit heißem Kaffee, Romeo kommt erstmal aufs Paddock und springt und wälzt sich was das Zeug hält. MISSION GEGLÜCKT.

Was soll ich sagen ? Dieses Pferd ist einfach nur toll, er hat die Strapazen der langen Fahrt, wenn er denn welche hatte, super weggesteckt, er ist Charmeur durch und durch und zu den Stuten ein wahrer „Gentleman“.

Jeder ist herzlich eingeladen, uns zu besuchen und sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Abschließend ist zu sagen: schön war´s. Wir hätten das Ganze gern in der streßfreien Variante erlebt, um mehr Genuß zu haben, aber es hat uns gestärkt. Auch die Verständigung auf Englisch klappte besser als gedacht. Würden wir es nochmal tun? Wenn die gute Fee kommt (und ein dickes Portemornaie mitbringt) auf jeden Fall.

Merke

  1. Elfen und Trolle haben wir keine gesehen, aber 38 Tunnel
  2. Behörden sind überall gleich
  3. meistens kommt es anders als man denkt
  4. auch wenn alles schief läuft, ist nicht alles doof, (denn)
  5. Fjordpferde sind einfach nur genial

Unser Dank gilt

  • Suse und Eike für ertragenes Telefon & Mail-„Stalking“, Übersetzen, Beraten und Ermutigen
  • Birgit Mortensen für die Vermittlung des Nachtquartiers in Randers
  • Familie Kloss für den preiswerten Unterschlupf für Mensch und Tier
  • Osvald Guttorm (Spediteur) für das glühende Gaspedal und in allererster Linie
  • Line Torrissen Carlsen. Wir können nur erahnen wieviel Liebe sie in die Aufzucht von Romeo gesteckt hat. Wir hatten mehr als einmal ein schlechtes Gewissen, ihn ihr „weggenommen“ zu haben. Mit ihm hat sie uns ein Stück ihres Herzens überlassen und wir hoffen, dass wir es ihr mit vielen gesunden Romeo-Fohlen zurückgeben können.

Michi Hoppe